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Böhmen - Mähren  Streifzug durchs Sudetenland 1940

https://www.youtube.com/watch?v=lKyHO1v3hZA&t=28s


Sudeten-Schlesisches Gedicht "Die Muttersproch".
Vorgetragen von Willi Jurena, Pension Schlesisches Haus in Jesenik/Freiwaldau (Altvatergebirge)

https://www.youtube.com/watch?v=UpiWB7RYB_I


Wunderschöner Blick vom Hochschar Haus Richtung Freiwaldau mit Gräfenberg, Niederlindewiese (Tolle Webcam)

http://portal.chmi.cz/files/portal/docs/meteo/kam/serak.jpg


Heimatort von Familie Ferdinand Scharmann und seine Geschichte


Bildaufnahme: H. Hoch, 28-07-2010

Erhaltene Reste der Kirchhofsmauer





Ortsplan vor 1945, nach 1945 wurden die Hausnummern neu zugeordnet.

z.B.: Haus Nummer 29 ist heute Haus Nummer 1


Familienzusammenführung nach der Vertreibung 1945 der Familie B. Scharmann und Nachkommen aus Neu-Wilmsdorf nach 69 Jahren am 17. April 2014 durch diese Webseite.


Hochzeitspaar Alfred und Anna Scharmann geb. Nitsche 1940 mit Gesellschaft

Mit freundlicher Genehmigung der Besitzerin Elisabeth geb. Scharmann  am 03.Oktober 2014, die auch als Baby auf dem Bild zu erkennen ist!




HEIMATGEMEINDE

Neu-Wilmsdorf hat leider keine offizielle Geburtsurkunde, wie sie andere Nachbargemeinden besitzen. Das Dorf soll bereits um das Jahr 1300 bestanden haben, nach 1400 wieder ausgestorben sein. Im Jahre 1580 wurde dann das ehemalige Wilhelmsdorf von Bischof Martin von Gerstmann (* 8. März 1527 in Bunzlau; † 23. Mai 1585 in Neisse) neu geschaffen.

Nach den damals üblichen Huben wurden 21 Bauernstellen ausgemessen. 3 davon waren für eine Scholtisei bestimmt, mit Balthasar Scheithauer als dem ersten Besitzer. Das Scholtiseigebäude stand an der Stelle, auf der später die Schule erbaut wurde.

Mitte des 18. Jahrhunderts hatte sich der Wundarzt Johann Georg Freund aus Eschenbach, in der Nähe von Bayreuth, in Jauernig niedergelassen. Er brachte es zu Wohlstand und wurde so zu einem Wohltäter für unseren Heimatort. Er kaufte in Neu-Wilmsdorf die Erbscholtisei und ließ auf deren Grund die Kirche erbauen, „weil die Wilmsdorfer den weiten Weg nach Wildschütz zur Kirche gehen mußten". 1763 wurde mit dem Bau begonnen. Die Ziegel wurden in Rothengrund gebrannt und der Kalk aus Waldeck geholt. „Anno 1767 den 19. February, wurde die Capel eingeweyhet und die erste Mees darin herrichtet, wo viel Volk zugegen, die Capel vellig erfüllt war". Zum Erhalt der Kirche und Pfarrstelle schenkte J.G. Freund die Scholtisei mit 44 ha Wald und 44 ha Äckern und Wiesen der Gemeinde. Die gestiftete Scholtisei wurde zunächst als Ganzes verpachtet, später an Kleinpächter. Durch den Erlaß des sogenannten Kleinpächtergesetzes 1920/21 mußten 33 ha Acker an die Kleinpächter verkauft werden. Es verbleiben noch 12 ha Acker. Die Seele der Stiftung bilden aber die 44 ha Wald. Neu-Wilmsdorf hatte in Jahren einer Volkszählung folgende Einwohner: Im Jahre 1806=769, 1836=1041, 1869=945, 1890=892, 1910=797, 1921=756, 1930=705, 1939=671.

Die erste Schule befand sich in dem Haus, das später von Schuhmacher Klischker bewohnt wurde. In den Jahren 1871/72 baute die Gemeinde Neu-Wilmsdorf mit Rothengrund auf den Platz des weggerissenen Scholtiseihofes und ganz auf eigene Kosten ein großes, massives Schulhaus, das über 4000 fl kostete. Ab 1887 gab es zwei Klassen.

ROTHENGRUND


Bildaufnahme: S. Hoch, 03-08-2015

Der zu Neu-Wilmsdorf gehörende Ortsteil Rothengrund verläuft parallel zum Tosbachtal an dem alten Verkehrsweg von Neu-Wilmsdorf nach Johannesberg. In den Matrikeln der Gurschdorfer Pfarrei ist zu lesen, daß sich hier schon um 1600 eine Siedlung befand; eine dichtere Besiedlung ist erst um 1773 zu vermerken, als herrschafliches Weideland erworben wurde. Um 1779 hatte Rothengrund mit Thum bereits 14 Häuser; auf Nr. 10 und Nr. 11 wird schon der Name Menzel als Besitzer angegeben, sowie auch 1945 der Name noch auf dem Besitz lautete. 1881 wurde eine Kapelle zu Ehren des hl. Rochus errichtet, 1905 fand ein Umbau statt, und Kardinal Kopp erteilte die Erlaubnis, hl. Messen zu lesen. 1911 zählte Rothengrund 21 Häuser und 86 Einwohner.

GRENZDORF



Die Teilgemeinde Grenzdorf wird erstmals 1785 erwähnt. Im Zuge der Kolonisationswelle, die unter Kaiser Josef II. eingeleitet wurde, legte die Obrigkeit auf Herrschaftsboden die Kolonie Grenzdorf an. Der Name ergab sich, da der Ort knapp an der Staatsgrenze liegt. Mit 690 m u.d.M. zählt sie zu einer der höchstgelegenen Ansiedlungen in der ganzen Landschaft. Die ersten Zuwanderer waren Holzhauer aus Nordmähren. 1804 hatte Grenzdorf bereits 34 Häuser und 196 Einwohner. 1785 erhielt Grenzdorf eine einklassige Volksschule, zu der Fürstbischof Heinrich von Breslau 1000 fl und Kaiser Franz Josef 400 fl schenkte. 100 Jahre nach der ersten urkundlichen Erwähnung überließ Fürstbischof Dr. Förster von Breslau 1000 Gulden zum Bau einer neuen Kapelle, die dem hl. Josef geweiht wurde. Immer am Josefstag, am 19. März, und sonst nach Bedarf, feierte der Pfarrer von Neu-Wilmsdorf die hl. Messe.

Lebensbild

Wenn heutzutage junge Leute unser ausgestorbenes Heimatdorf Neu-Wilmsdorf und den Teilort Grenzdorf besuchen (in Rothengrund stehen nur noch einige Häuser), werden sie sich kaum vorstellen können, daß dieser Ort vor einem halben Jahrhundert fast 700 Menschen beherbergte. Wir Älteren haben noch die Zeit erlebt, als unsere Ortschaft lebendig war. Eine Dorfgemeinschaft, in der jeder jeden kannte, alle Familien, ihre Wohnhäuser und die Eigenheiten jedes einzelnen. Wir denken deshalb gern zurück an unser einst so intaktes Heimatdorf und bringen ihm noch viel Liebe entgegen. Doch die Erinnerung verblaßt und so wollen wir noch einmal ein Bild unserer Gemeinde erstehen lassen.

Neu-Wilmsdorf ein typisches Längsdorf. Es schlängelt sich entlang des Tosbaches über 4 km bis auf die Kammhöhe des Reichensteiner Gebirges hinauf. Im Niederdorf ist das Tal eng, doch wurde es landwirtschaftlich genutzt. Mit viel Mühe und Kraft bearbeiteten die „Klein-Gärtler" ihre oft steilen Hänge, um den steinigen Lehnen Ertrag abzuringen, doch wurde liebe- und fast ehrfurchtsvoll mit der Natur umgegangen. Die meiste Arbeit leisteten die Frauen und auch die heranwachsenden Kinder mußten schon früh mithelfen, denn die Männer gingen alle einem Beruf nach und die Landwirtschaft war nur ein Nebenerwerb. Wenn auch der Ertrag oft nicht der schweren Arbeit entsprach, so war es doch sehr wichtig, wenigstens Selbstversorger zu sein. Oberhalb der Tosbrücke wird das Tal weiträumiger, und die Besitze werden größer und ertragreicher, so daß die meisten Besitzer davon leben konnten.

GEMEINDEVERWALTUNG

Josef Bauch, Besitzer der größten Landwirtschaft unseres Ortes (30 ha), war vom Jahre 1919 bis 1944 Bürgermeister von Neu-Wilmsdorf mit Teilgemeinden Grenzdorf und Rothengrund. Die Urkunde für 25 Bürgermeisterjahre ist noch erhalten. Wir erinnern uns an einen gütigen Mann, der es stets allen recht machen wollte. Das Amt wurde immer nebenberuflich ausgeübt und der Schreibtisch stand in der Wohnstube.

Erst als 1938-39 das Gemeindehaus gebaut wurde, gab es eine Gemeindekanzlei. Durch die Lebensmittel- und Bezugscheinausgabe in den Kriegsjahren hatte sich die Arbeit so vermehrt, daß eine 2. Kraft nötig war. So wurde Franz Hauke als Gemeindeschreiber angestellt, der auch zugleich eine Wohnung mit seiner Familie in dem neuen Gemeindehaus bezog. Ein Jahr vor Kriegsende wurde Josef Becke, Besitzer der Brettsäge, mit dem Bürgermeisterposten betraut. Vor Josef Bauch war Josef Band, den wir auch noch alle kannten, 14 Jahre Bürgermeister. In seiner Amtszeit wurde 1911 der wilde Tosbach reguliert, dazu wurden damals Fachkräfte aus Norditalien geholt. Bürgermeister-Stellvertreter war Ferdinand Klein. Gemeinderäte waren Stefan Liebe, Wilhelm Lindenthal, Josef Band, Eduard Zöh.

Die Botengänge, die für den Bürgermeister ausgeführt werden mußten, versah Frau Marie Franke und in der letzten Zeit Frau Neukirch. Doch wenn eine Mitteilung nicht sehr eilte, ging ein Zettel „um das Dorf". Er wurde von einem Haus zum anderen weitergegeben. Wenn die Nachbarn nicht so gut miteinander harmonierten, gab es da manchmal Probleme. Dann wurden die Schulkinder gebeten, für ein kleines Trinkgeld den Zettel weiterzutragen.


KIRCHE




Bildaufnahme: Harry Hoch, 28-07-2010


Schon einige Jahrzehnte nach dem Tod des Stifters Johann Georg Freund kam es in der Verwaltung des nur für kirchliche Zwecke gestifteten Gutes zu Unstimmigkeiten. Durch Verfügung der k.u.k. Landesregierung in Troppau vom Jahre 1825 wurde die Verwaltung der Gemeinde abgenommen und die J.G. Freundsche Stiftung als eigene Rechtspersönlichkeit geschaffen. Zur Verwaltung der Stiftung wurde ein Kuratorium bestellt, dessen Vorsitzender der jeweilige Pfarrer war. Dieses Kuratorium blieb bis in die dreißiger Jahre unseres Jahrhunderts intakt. Dann wurde durch Verfügung der csl. Landesregierung in Brünn das auseinanderstrebende Kuratorium aufgelöst und die kommisarische Verwaltung der Fürstbischöflichen Kameraldirektion in Jauernig-Johannesberg übertragen. So war wegen ihrer guten Fundierung die Pfarrei Neu-Wilmsdorf anfangs eine der bestsituierten.

In der Chronik ist mehrere Male vermerkt, daß die Geistlichen nicht gern von Neu-Wilmsdorf weggingen, wenn der Ruf des Bischofs zur Versetzung an sie erging. Allerdings war nach dem Verkauf der 33 ha Acker das Vermögen kleiner geworden und die Wirtschaftskrise hatte gar die Seelsorgestelle in ihrem Bestände gefährdet.

Neu-Wilmsdorf hatte einen richtigen Pfarrhof. Otto Hampel, der von 1921-28 Pfarrer in unserer Gemeinde war, entstammte einem alten Bauerngeschlecht, und die Freude an der Landwirtschaft lag ihm im Blut. Wenn in der Erntezeit Not am Mann war, griff er selbst mit zu. Als Priester war er sehr gewissenhaft und bemühte sich auch sehr um die Jugend. Das Geläut wurde durch den Kauf von zwei Glocken vervollständigt. Das Glöcknerhaus wurde neu gebaut. Familie Franke besorgte das tägliche Läuten. Diese Familie hat sich in vielen Jahren ihres Dienstes in der Pfarrei um Kirche und Friedhof sehr verdient gemacht. Das Gräberausheben war für Josef Franke, besonders im Winter, eine schwere Arbeit. Seine Frau Marie regelte alle Begräbnisse und ging auch in jedes Haus, zum Begräbnis zu bitten. Das Balkentreten gehörte ebenfalls zum Glöcknerdienst. Als Frau Franke aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage war, die Glöcknerdienste zu leisten, übernahm es Familie Ferdinand und Marie Scharmann (Urgroßeltern von Harry Hoch), die Glocken zu läuten. 

Im Jahre 1928 verließ Pfarrer Hampel Neu-Wilmsdorf, um in Friedeberg die Pfarrei zu übernehmen. Ihm folgte Pfarrer Adolf Schreiber. Er war sehr zielbewußt und ist noch manchen als strenger Religionslehrer in Erinnerung. Während seiner Tätigkeit in unserem Ort promovierte Pfr. Schreiber zum Dr. der Theologie und verfaßte, sozusagen als Fortsetzung des Gurschdorfer Pfarrsprengels, den Beitrag zur Heimatkunde: Wildschütz mit Sörgsdorf und Neu-Wilmsdorf. Den Kirchenmaler Bauch aus Weidenau beauftragte er mit dem Restaurieren und Ausmalen des Gotteshauses und setzte sich damit ein schönes und beeindruckendes Denkmal. Im Spätherbst 1929 kam mit Stefan Gottwald ein neuer Pfarrer. Er stammte aus unserer Nachbargemeinde Waldek. Sein einfaches Wesen und sein leutseliger Umgang mit den Bewohnern machten ihn bald sehr beliebt. Er war ein sehr guter Prediger und seine Wissensvermittlung interessant.

Dankbar erinnern sich viele an die Jahre bis 1937 und bedauern sehr sein Ausscheiden aus dem priesterlichen Amt. Nach der Aussiedlung hat er bis zu seinem Tode über unsere alte Heimat geforscht und geschrieben. Der letzte Pfarrer war Johannes Glatzel, gebürtig aus Weidenau. Als Kaplan in Wildschütz betreute er bereits während des schwebenden Verfahrens zwischen dem Ordinariat und Pfarrer Gottwald die Pfarrei Neu-Wilmsdorf. Sein priesterliches Wirken war von großer seelsorgerischer Verantwortung geprägt und seine Amtszeit wohl die ereignisreichste und schwerste. Unser Erinnern gilt nicht zuletzt den beiden Kirchvätern, Landwirt Ferdinand Korzer und Landwirt Franz Eckel, die mit vorbildlicher Pflichterfüllung und Treue viele Jahre der Kirche dienten.

SCHULE




Als Schulleiter an der zweiklassigen Volksschule blieb Oberlehrer Maximilian Linke unserer Gemeinde durch 25 Jahre (bis 1935) erhalten. Er war ein begabter Erzieher und Lehrer aus Berufung und auch Organist in der Kirche. Seine Frau Hedwig, geb. Jung, war als 2. Lehrerin bis 1928 an der Schule. An ihre Stelle kam die junge Lehrerin Maria Kneifel, gebürtig aus Barzdorf. Sie unterrichtete in jedem Jahr auch die Erstkläßler und mußte den Kleinsten die Schriftsprache statt „Paurisch" beibringen. Im Jahre 1937 heiratete sie Wilhelm Weiser aus unserem Ort. Oberlehrer Alfred Beutel folgte Maximilian Linke und leitete die Schule bis 1945. Als Handarbeitslehrerin kam bis Mitte der dreißiger Jahre Frau Ruprecht aus Sörgsdorf und später Frau Grimme aus Setzdorf. Die Kinder aus Rothengrund gingen nach Neu-Wilmsdorf zur Schule und hatten einen weiten Schulweg zurückzulegen. Die Betreuung der Schulräume oblag bis 1935 Marie Klein. Im Winter mußten die großen Kachelöfen beheizt werden, für die viel Heizmaterial herbeigeschafft werden mußte. In späteren Jahren besorgte diese Arbeit Gisela Band, die gleich neben der Schule wohnte. In Grenzdorf unterrichtete nach dem Weggang von Lehrer Frosch nach Jauernig Lehrerin Paula Brachtl aus Freiwaldau an der Schule. In den letzten Jahren kamen dann Aushilfskräfte, darunter auch die Lehrerin Maria Weiser. Die Schule betreute Olga Nitsche.

ACKERBAU UND FORSTWIRTSCHAFT


Harrys Urgroßeltern und Opa Ferdinand (rechts) bei der Heuernte um 1939



Infolge der Höhenlage, 500 bis fast 700 m Höhe, herrschte ein etwas rauhes Klima, und die Getreideerträge waren, besonders im Oberdorf und Grenzdorf, dementsprechend niedrig. Angebaut wurden hauptsächlich Kartoffeln, Roggen, Gerste, Hafer und Grassamen, Hochschwengel genannt. Er wurde nur in den Gebirgsdörfern angebaut und durch Aufkäufer weiter verkauft. Dieser Samen erforderte einen hohen Arbeitsaufwand, war aber, neben dem Viehverkauf, für die Bauern eine gute Einnahmequelle und wurde deshalb auch „Gebirgsgold" genannt. Ein Kilo Samen hatte etwa den gleichen Preis wie ein Kilo Zucker, etwas über 8 Kronen. Die Bauern hatten bis 8 Kühe im Stall und die „Häusler" 1-2 Ziegen. Jeder verarbeitete selbst die Milch von den Tieren. Zweimal in der Woche kam der „Pottermoan", bei uns war es Stefan Lindenthal, der die Butter und Eier kaufte. Im Niederdorf und Rothengrund kam einmal in der Woche Frau Melan mit der Tochter Rosa aus Sörgsdorf die Butter abholen. Doch oft hatten die Bauersfrauen „ei der Stoadt" Abnehmer, wo sie die Butter persönlich hinbrachten. Der Erlös daraus war die Einnahme der Hausfrau und wurde „Pottergeid" genannt. Erst in den letzten Kriegsjahren mußte die Milch abgeliefert werden. Neben der Landwirtschaft wurde auch etwas Forstwirtschaft betrieben, wobei Josef Band mit 10 ha den größten Waldbesitz hatte. Ebenso befaßten sich einige Ortsbewohner mit der Imkerei. Waldaufseher waren Eduard Gottwald, Grenzdorf, vor ihm Franz Moisisch, Alfred Krusche, Neu-Wilmsdorf.

HANDEL UND HANDWERK




Lebensmittel- und Gemischtwarenhandlung: Josef Scharmann; Wilhelm Giersig; Stefan Veit (Grenzdorf). Gaststätten: Franz Berg; Alfred Michler; Stefan Veit; Josef Ruprecht (Grenzdorf); Ferdinand Bauch (Rothengrund). Butterhandel: Stefan Lindenthal. Fahrrad- und Zenfrifugenhandel: Adolf Scharmann. Mehlmühlen: Karl Brosig; Josef Hauke. Sägewerk: Josef Becke. Schmiede: Josef Menzel. Landwirt: Alois Bauch. Tischler: Franz Bauch. Stellmacher: Josef Menzel. Schlosser: Ernst Neukirch. Sattler: Walter Klein; Herbert Friemel. Schuhmacher: Ernst Tinter; Franz Klamert; Johann Krischker. Schneider: Alois Scharmann; Alois Grötzner. Damen-Schneiderinnen: Elisabeth Klein; Marie Grötzner; Marie Scharmann (Urgroßoma von Harry Hoch). Fleischverkauf: Früher Paul Ruprecht aus Sörgsdorf, später Willi Weiser. Hebamme: Marie Moisisch.


KIRCHENCHOR

Durch 25 Jahre war Oberlehrer Maximilian Linke Organist unserer Kirche und leitete auch den Kirchenchor. Nach seinem Weggang 1935 übernahm die Lehrerin Maria Kneifel, nach ihrer Verheiratung hieß sie Weiser, dieses Amt. Dank der musikalischen Begabung der neuen Chorleiterin und dem Mitwirken von Musikern des Ortes mit Streich und Blasinstrumenten wurden die Hochfeste des Kirchenjahres, immer zu einem besonderen Erlebnis. Im Chor sangen: Sopran: Elisabeth Klein, Elfrieda Werner, Martha Berg, Elsa Menzel, Erna Scharmann, Ella Scharmann, Elfrieda Liebe, Martha Franke, Erna Tinter. Alt: Gisela Band, Erika Scharmann, Else Grötzner. Musiker: Edmund Hauke, Heinrich Friemel, Oskar Friemel, Josef Utner, Rudolf Klein, Josef Menzel, Wilhelm Lindenthal, Emil Bauch, Ferdinand Bauch, Kurt Bauch. Ab 1941 war nach nationalsozialistischer Ansicht Frau Weisers Beruf als Lehrerin mit dem Dienst als Leiterin eines Kirchenchores nicht zu vereinbaren. Ordensfrauen aus dem Kloster in Jauernig übernahmen den Organistendienst bis Kriegsende und dann bis zur Aussiedlung Erna Scharmann.

GRENZFINANZWACHABTEILUNG

Mit 8-10 Mann war im Oberdorf die Finanzabteilung stationiert. Oberaufseher war bis 1937 Cenek Dostal. Einige der „Finanzer" wohnten im Ort als Untermieter und 2-3 in der Unterabteilung am Schwarzen Berg. Sie patrouillierten an der Staatsgrenze, die hinter Grenzdorf verlief. Der Übergang nach Gersdorf wurde oft von „Schwärzern" benutzt, wobei der Sohn von Landwirt Josef Weiser sein Leben lassen mußte.

KINDERGARTEN

Erstmals im Jahre 1941 wurde im ehemaligen Dostalhaus ein Sommerkindergarten aufgemacht. Im folgenden Jahr wurde er dann in die Ortsmitte, ins Haus Josef Menzel, verlegt und war das ganze Jahr geöffnet. Als Kindergärtnerin kamen Hermi Mück aus Böhmischdorf, später Else Mikusch aus Jauernig, Helferin war Erna Tinter.

POST

Postalisch wurde Neu-Wilmsdorf von Sörgsdorf versorgt. Im wöchentlichen Wechsel kamen die Briefträger Josef Bienert und Josef Krusche; in den Kriegsjahren dann Alfred Gittler und Josef Weiser. Die Postsachen und Päckchen wurden mit dem Fahrrad transportiert. Die Postler hatten jeden Tag einen ziemlich langen Weg bis nach Grenzdorf und am Rückweg über Rothengrund zurückzulegen.

FREIWILLIGE FEUERWEHR

Feuerwehrkommandant war seit vielen Jahren Emil Werner. Man besaß eine Handspritze, die von acht Männern gepumpt werden mußte. Der letzte Einsatz war 1942, als in Grenzdorf in das Haus von Franz Thanheiser der Blitz einschlug. Doch das Niederbrennen bis auf die Grundmauern konnte nicht verhindert werden.

SPAR- UND DARLEHENSKASSE

Obmann des Spar- und Darlehenkassenvereins war Landwirt Josef Weiser. Altershalber übergab er dann dieses Amt an seinen Sohn Willi Weiser.

TURNVEREIN

Das Leben in einem Gebirgsdorf war wohl immer etwas härter und so nahm man sich für ein Vereinsleben nur wenig Zeit. Erst nach 1936 wurde der Turnverein gegründet. Junge Männer und Frauen trafen sich an je einem Abend in der Woche im Saal des Gasthauses Berg. Vorturner war bei den Männern Herbert Friemel und bei den Frauen Martha Korzer. Beide standen auch den Turnriegen der Schulkinder aus den oberen Klassen vor. Zwei Pfarrer unseres Ortes bemühten sich besonders auch um etwas kulturelles Leben im Dorf. Es waren dies Pfarrer Hampel und Pfarrer Gottwald. Sie organisierten und leiteten eine Laienspielgruppe und es wurde mit viel Begeisterung der Mitwirkenden und der Zuschauer jeden Winter ein Theaterstück aufgeführt. Als besonderes Unikum dieser Gruppe wurde oft Franz Tinter aus dem Oberdorf erwähnt. Auch fand in jedem Jahr ein Feuerwehrball und in der Faschingszeit ein „Lompaball" (Maskenball) im Gasthaus Berg statt.

„DRITTES REICH", KRIEGSENDE UND AUSSIEDLUNG

Von den sich in den Septembertagen 1938 anbahnenden politischen Veränderungen wurde Neu-Wilmsdorf besonders betroffen. Bürgermeister Bauch blieb Bürgermeister, Stefan Liebe, der schon in einer Funktion für die Landwirte tätig war, wurde Ortsbauernführer. Die nationalistische Weltanschauung fand bei der arbeitenden Bevölkerung keine so große Bejahung. Einige Ausnahmen gab es. Seltsamerweise waren es oft Leute, die sich für das Deutschtum in der CSR stark eingesetzt hatten, die nun den neuen Einrichtungen großes Mißtrauen entgegenbrachten.

Inzwischen verbreiteten die Kriegsereignisse viel Leid, insgesamt hatte unsere Gemeinde 38 Kriegsopfer zu beklagen. Von den Repressalien der russischen Besatzung blieben wir weitgehend verschont, nur Alois Bauch wurde als „Ortsleiter in den letzten Wochen" abgeholt und kehrte nicht mehr zurück. Schon bald kam ein tschechischer Kommissar und übernahm die Gemeindeverwaltung. Er bemühte sich jedoch sehr, die Bevölkerung, trotz der Anordnungen, möglichst zu schonen. Doch in den folgenden Wochen geschah viel Unheil, was noch zwei Menschen das Leben kostete. Josef Menzel aus Rothengrund wurde angeschossen und starb 9 Monate später. Josef Lemmel nahm sich aus Verzweiflung das Leben.

Wie in anderen Orten wurden auch unsere „Kriegsheimkehrer" ins Lager nach Jauernig gebracht, wo auch Bürgermeister Josef Becke und Oberlehrer Alfred Beutel schwere Zeiten erlitten. Eine Anzahl junger Leute kam zum Arbeitseinsatz in tschechisches Gebiet. Im Juli 1945 wurden die ersten drei Familien über Setzdorf ausgesiedelt, denen dann 1946, bis auf einen Rest Einwohner, die als Arbeitskräfte behalten wurden, fünf Transporte folgten.

BESONDERHEITEN

Wer Ruhe und schöne Landschaft schätzte, dem gefiel es in Neu-Wilmsdorf, in Grenzdorf sowie Rothengrund und so kamen gern Besucher und Sommergäste. Frieda Werner, verheiratete Menzel, verdanken wir, daß sich unser Dorf „Sommerfrische Neu-Wilmsdorf“ nennen konnte. Nach Einrichten von Räumlichkeiten, verstand sie es, den Gästen, die von weither kamen, einen schönen Aufenthalt in ihrem schmucken Haus zu bieten. Das gelang auch der Familie Bauch in Rothengrund. Sehr beliebt waren die Tanzveranstaltungen in den Gasthäusern Berg und Michler, in Grenzdorf bei Ruprecht und Veit und in Rothengrund bei Lindenthal und Ferdinand Bauch. Aus allen umliegenden Orten kamen Tanzfreudige, die noch heute von diesen schönen Erlebnissen erzählen. Ein großer Erfolg war das Waldfest im „Menzelpeschla" in den dreißiger Jahren, das anläßlich eines Jubiläums der Feuerwehr stattfand. In der schweren Zeit nach Kriegsende hat der Kaufmann Josef Scharmann vielen Familien mit Rat und Tat geholfen. Die ärztliche Versorgung war schlecht und so hat er z.B. auch der Anna Bahr nach einem Kreuzotterbiß, nach den nötigen Vorkehrungen, mit dem Taschenmesser den Finger aufgeschnitten. Die Gefahr war gebannt.

NACH DER AUSSIEDLUNG

Baden-Württemberg und Bayern waren für die Neu-Wilmsdorfer die Bundesländer, wo sie Aufnahme fanden. Je zwei Familien kamen nach Hessen und Niedersachsen, 16 Familien blieben in der Heimat. Der Großteil siedelte dann auf Antrag in den Jahren zwischen 1950 und 1970 in die Bundesrepublik aus. In Notunterkünften, überbelegten Räumen, manchmal sogar zwangseingewiesen und in wirtschaftlicher Not, wurde der neue Lebensabschnitt begonnen. Aber alle waren arbeitsam, ordneten sich ein, wie Tante Anna Grimme, die vormittags in eine Wohnung bei einem Bauern eingewiesen wurde und am Nachmittag schon „mit auf's Feld gehen mußte". So einschneidend der Verlust der Heimat war, war es doch gut, ohne Bedrohung zu leben. Die Neu-Wilmsdorfer nehmen seit der Patenschaftsübernahme 1955 alle zwei Jahre an den „Jauerniger Heimattagen" in Vaihingen/Enz teil.

Erwähnenswerte Landsleute

FREUND, Johann Georg, Wundarzt und Bader, * 7.4.1710 in Wolframs-Eschenbach, Mittelfranken , † 4.9.1785 in Jauernig. Er war der Sohn eines Schuhmachers, zog mit 21 Jahren in die Fremde, ließ sich in Jauernig als Wundarzt und Bader nieder und wirkte hier über 54 Jahre überaus segensreich. Zu großem Vermögen gelangt, kaufte er zusammen mit seiner Frau Anne Katharina, geb. Giebel, aus Sörgsdorf, 1766 die Scholtisei in Neu-Wilmsdorf. Am 12. Juni 1763 kam ein Vertrag zwischen ihm und der Gemeinde zustande, nach welchem er auf eigene Kosten eine Kirche erbauen ließ und eine Pfarrstelle dotierte. Ähnlich engagiert war Freunds Eintreten in sozialen Belangen. Er errichtete eine Stiftung, aus der die Kirche wie die Pfarrgebäude erhalten und der Pfarrer bezahlt wurden; auch verpachtete er die Stiftungsgrundstücke, auf denen Familien das zum Leben Notwendige selber anbauen und etwas Vieh halten konnten.

GLATZEL, Johannes, Pfarrer, * Weidenau 9.1.1911. † Ravensburg 28.1.1978; letzte Ruhestätte Fleischwangen. Der Sohn eines Bäckermeisters besuchte in seiner Heimatstadt Weidenau das Gymnasium, nach dessen Auflösung das in Freudenthal, wo er 1933 maturierte; der Absolvent des Weidenauer Priesterseminars wurde von Kardinal Dr. Bertram am 15. Juni 1935 zum Priester geweiht. Es folgte eine glückliche Zeit als Kaplan in Wildschütz und als Pfarrverweser in Neu-Wilmsdorf; das Jahr 1941 brachte dann die Installierung als Pfarrer. Damals gelang es dem jungen Geistlichen, bei den Behörden in Freiwaldau und Troppau zu erwirken, daß das Vermögen der Johann-Georg-Freundschen Stiftung nicht beschlagnahmt wurde und diese als rein kirchliches Vermögen der Gemeinde erhalten blieb. Während des Krieges hatte Glatzel an mehreren Schulen Religionsunterricht zu erteilen (mitunter waren es acht), seelsorglich außerdem die Filialgemeinden Grenzdorf und Rothengrund zu betreuen. Mit den letzten Pfarrkindern mußte auch Pfarrer Glatzel 1946 die Heimat verlassen und kam nach kurzer Aushilfstätigkeit in Bühlertann (bei Schwäbisch-Hall) nach Ebersberg bei Backnang; 1952 übernahm er die Pfarrei Fleischwangen im Schwäbischen Oberland, wo er durch 25 Jahre opferfreudig wirkte.

GOTTWALD, Johann, Zisterzienserpater, * 15.2.1806 in Neu-Wilmsdorf bei Jauernig, † 27.12.1893 in Lilienfeld (Niederösterreich). Der Neu-Wilmsdorfer trat in die Zisterzienserabtei Lilienfeld ein. 1834 zum Priester geweiht, wurde Gottwald Bibliothekar, Archivar und Chronist des 1202 gegründeten Stiftes. Außerdem erforschte er die Pflanzenwelt Niederösterreichs.

AMMICHT, Erna, geb. Tinter, * 13. 4.1926 in Neu-Wilmsdorf. Nach der Volksschule machte sie ihr Landjahr in der Lausitz, dann folgten eineinhalb Jahre Kindergarten in Neu-Wilmsdorf und ab November 1943 ein Jahr Arbeitsdienst bei Frankfurt/Oder. Nach Kriegsende Verpflichtung zum Arbeitseinsatz im tschechischen Gebiet bei Olmütz. Ausgesiedelt nach Backnang und beschäftigt in einer Spinnerei. 1951 Heirat mit Gottfried Ammicht, 2 Töchter. Seit 1954 in Stuttgart wohnhaft. 1977 verstarb ihr lieber Gatte, der ebenfalls in der Heimatarbeit tätig war. 1979 Übernahme der Ortsbetreuung von Stefan Liebe. Sie schrieb eine neue Ortskartei und betreute die Landsleute mit viel Liebe und Herz.

HAMPEL, Robert, Dr. Germanist, * 1.11.1916 in Wien. Er ist ein Neffe von Pfarrer Otto Hampel, der bis 1928 in Neu-Wilmsdorf wirkte und ein Nachkomme des Bauernbefreiers Hans Kudlich. Die Ferienaufenthalte bei seinem Onkel hatten es ihm angetan; aus der Erinnerung schrieb er das Büchlein „Neu-Wilmsdorf“. Seine Erzählungen sind Erlebnisberichte, liebenswert geschildert und untermalt mit allerlei landschaftlichen, natur und volkskundlichen Ausführungen.

LIEBE, Stefan, Landwirt, * 2.7.1901 in Neu-Wilmsdorf, † 5.2.1980 in Augsburg-Haunstetten. In der Landwirtschaft aufgewachsen, heiratete er 1924 Wilhelmine Beck und übernahm den Bauemhof Nr. 13. Schon vor 1938 war er für die örtlichen Landwirte tätig und so wurde ihm im Dritten Reich auch das Amt des Ortsbauernführers übertragen, was ihm dann die Einlieferung in die KZ nach Jauernig und Adelsdorf einbrachte. Ausgesiedelt nach Niederbayern, dann übergesiedelt nach Augsburg-Haunstetten, übernahm er 1965 die Ortsbetreuung von der Lehrerin Maria Weiser und versah dieses Amt bis 1979.

WEISER, Maria, geb. Kneifel, Lehrerin, * 3.11.1901 in Barzdorf, † 19.9.1979 in Ludwigsburg. Als junge Lehrerin kam sie 1928 an die Schule nach Neu-Wilmsdorf. Liebevoll, doch streng führte sie die ihr anvertrauten Kinder durch die Schuljahre. Nach dem Weggang von Oberlehrer Max Linke übernahm sie 1935 die Stelle des Organisten in der Kirche. Dieses Amt mußte sie aber 1941 wieder abgeben, da ihr Beruf als Lehrerin als unvereinbar mit dem kirchlichen Dienst angesehen wurde. 1937 heiratete sie Willi Weiser aus Neu-Wilmsdorf und kam nach der Ausweisung aus der Heimat mit ihrem Gatten nach Ludwigsburg, wo sie nach einiger Zeit wieder in den Schuldienst übernommen wurde und im Jahre 1967 als Oberlehrerin in den Ruhestand ging. Frau Weiser war es, die in der neuen Heimat die Adressen und Daten sammelte und die erste Kartei anlegte. Sie war somit hier und in der alten Heimat immer eine Ortsbetreuerin. Wir verdanken ihr viel.

Freizeitaktivitäten in und Umgebung von Neu-Wilmsdorf (Private Bilder)

Eigene Bilder aus Bestand



Meine Oma Maria Werner auf der Ruine Reichenstein 18-06-1939



Mein Opa Ferdinand Scharmann auf der Teufelskanzel 18-06-1939


Erinnerungen von Robert Hampel

Eine kleine, langgestreckte Siedlung im Reichensteiner Gebirge bei Jauernig, heute Vilemovice genannt, wird nur für wenige Landsleute das Dorf der verlorenen Heimat sein. Ein Straßendorf, das, von Sörgsdorf ausgehend, an einem Bach entlang in die Höhe führt, bis es nach kurzer "Häuserlosigkeit" in ein Grenzdorf namens Grenzdorf übergeht, an der Grenze zwischen Österreich und Preußen, später der Tschechoslowakei und dem Deutschen Reich, heute staatspolitisch im Grenzgebiet der CSSR zu Polen gelegen. Das Oberdorf ist auch heute nur mit kleinen Karren befahrbar, das Auto läßt man am besten - angesichts der Kirche - beim einstigen Gasthof Berg zurück.

Der Kirche, ja, hier stockt der Chronist. Sie ist nach dem Brande von 1976 nur noch eine Ruine. Und doch war einst dieses hohe Gebäude mit dem schmucken Pfarrhaus unweit der Schule der Mittelpunkt eines trotz aller Armut blühenden, lebendigen Gebirgsdorfes. Und in dieses Dorf, das für mich der Inbegriff eines verlorenen Paradieses war, kam ich von 1923 bis 1928 als Bub immer wieder zu meinem Pfarreronkel Otto Hampel und dessen Schwester Marie als Feriengast, ehe dieser in Friedeberg, der kleinsten Stadt Schlesiens, eine Pfarre bekam, aus der er dann 1946 vertrieben worden ist. Ich habe dieses Neuwilmsdorf als Wandersmann bis 1937 oft besucht, 1938, von Böhmen kommend, über den Brett- und Grenzgrund und Grenzdorf das letzte Mal im Frieden. Von oben her sah ich das Staubecken von Ottmachau, das es in meiner Kindheit noch nicht gegeben hat und den riesigen Stiftswald, von dem die Pfarre den Großteil ihrer Einkünfte bezog; ich schob mein Fahrrad bergab, weil man zwischen den großen Steinen bei so starkem Gefälle nicht radeln konnte. Dann betrat ich die Kirche und ging um das Pfarrhaus und seinen Garten herum. Es gab dort für mich keine liebe Seele mehr.

Und dann 1975, ein gutes Menschenalter später! Wie kurz war für mein Auto die Strecke von Sörgsdorf zur Kirche und wie lang war sie einst in glutiger Sommerhitze dem kleinen Manne erschienen! Den Wagen ließ ich vor der Kirche stehen, hinein konnte ich nicht gelangen. Wie sollte ich meiner Frau die steile Chorstiege zeigen, von der mich einst schlimme Buben hinabgestürzt hatten, ohne daß ich außer Abschürfungen irgendeinen Schaden genommen hätte? In der Kirche muß damals der Schutzengel besonders wachsam gewesen sein.

Das Kirchendach war vielfach durchlöchert, ein Bäumchen wuchs aus dem Turm hervor. Durch diese Lücken des Schieferdaches ist dann mitten im Wiederaufbau wohl' auch der zündende Funke ins Dachgestühl geraten. Das Pfarrhaus aber, das mir so oft Sommerheimat gewesen war, lag schon damals im Schutt darnieder. Und wie sauber war es früher gehalten, wie pfleglich die Fensterläden gestrichen, wie heimelig meine Wohnmansarde, von der aus ich die Grillen zirpen hörte! Und dann das Paramentenzimmer, das, auf einem Platz zusammengedrängt, das ganze Kirchenjahr zu versorgen hatte!

Hier in guter Ordnung die verschiedenfarbigen Priester- und Ministrantenkleider. Beim Kirchweihhochamt 1924 (15. VIII.) haben fünf Priester das nachpfingstliche Meßgewand aus diesen Beständen anziehen können. Der Trauerornat soll der armen Gemeinde aus der Umgebung von Kaiserin Maria Theresia gestiftet worden sein, und feine Damen sollen die Stickerei besorgt haben. In diesem Zimmer waren die Weihnachtskrippe, das Heilige Grab und die große Osterkerze auch sommers zu besichtigen. Hier waren die Musikinstrumente jener Bläserkapelle verwahrt, die zu den Festtagen zu musizieren hatte. Flügelhorn, Klarinette, Waldhorn: alles war für mich da. Nur die Posaune war mir zu schwer.

Und gleich daneben in einem Kämmerchen die Requisiten der bäuerlichen Bühne, für die der gute Onkel an den langen Winterabenden Proben hielt. Neben den Versatzstücken und Schminktöpfen hatten es mir eine Nachtwächterhellebarde, die dazugehörige Laterne und der Uniformhut sehr angetan.

Jetzt aber konnten wir weder den Hofbrunnen sehen noch den Gemüsegarten betreten, in dem ich einst die Kapuzinerkresse, von bunten Faltern beflogen, zur Schmückung des sonntäglichen Hochaltars pflücken mußte.

Von den paar Häusern zwischen dem einstigen Pfarrhof und der Dorfstraße ist heute nur mehr eines erhalten, in großer und noch gut lesbarer Schrift ist der Name des letzten rechtmäßigen Besitzers und die schöne Berufsbezeichnung "Stellmacher" zu lesen. Die kleinen Wohnhäuser der vielen Scharmann- und Franke-Kinder habe ich nicht mehr gefunden. Franke Milz (Emil), der mich mit dem älteren Scharmann-Buben im Übereifer die Chorstiege hinuntergeworfen hatte! Und Franke Bertl der jüngste Bub des Totengräbers Franke! Wo mögen sie jetzt leben, wenn sie noch leben? Dort steht auf wüstem Feldboden ein Kolchosenstall, wie man ihn jetzt überall im Lande findet. Der oft begangene Weg zum Kirchvater Korzer, nach Stillstand, Pilzberg und Wildschütz, aber auch zum Stiftswald war nach einem Regenguß völlig grundlos. Kurzes Verweilen auf dem kleinen, völlig ungepflegten Friedhof mit all den alten vertrauten Namen. Einige Stengel einer seltenen Orchidee mitten vor den Gräbern, dafür draußen auf der Wiese einige weiße Narzissen, die vom Friedhof her hinausverwildert sein mussten! Vor der Schule natürlich auch kein Kriegerdenkmal mehr, nur der Spritzenschoppen stand noch so da, wie ich ihn beim Bau seinerzeit erlebt hatte, gegenüber dem Gasthof Berg, der längst kein Wirtshaus mehr ist. Auch der Sörgsdorfer Fleischer hackt hier längst nicht mehr allsamstäglich aus. Die Gemischtwarenläden Giersig im Oberdorf und Scharmann in der Mitte fand ich nur ungefähr wieder, wohl aber das Weiser-Haus mit dem Kreuz und der Figur der heiligen Hedwig davor, leicht übermoost. Wie oft hatte ich mit der früh verstorbenen Weiser- Angela geplaudert und gespielt, während drinnen in der Stube der Onkel mit dem Gemeindesekretär Weiser seine hitzigen Gespräche geführt hat. Dem Bruder der Angela hatte einst ein tschechischer Finanzer bis zur Kapelle des Neugersdorfer Friedhofes nachgeschossen und ihn tödlich getroffen, obwohl dieser schon ein paar hundert Meter auf preußischem Boden stand.

Die in der Vertreibung lebenden Neuwilmsdorfer mögen sich ihres Heimatdorfes als eines in tief verschneiten Wintern und kurzen Sommern lebenden Gemeinwesens auf steinigem Boden und mit oft feuchten Bergwiesen erinnern. Wer vergäße wohl die Steinhalden zwischen den Feldern als lebendige Anzeichen des bäuerlichen Fleißes, auch solchen Gebirgsböden Korn und Gerste abzugewinnen? Nur der Hafer wurde nicht immer reif vor dem ersten Schnee. Der steinige Bachgrund war bestanden mit vielen Kräutern und Unkräutern, unter denen der übermannshohe Bärenklau (Heracleum sphondylium) das prominenteste war.

Kunstdünger wurde kaum verwendet, daher gab es auf den Kleefeldern zahllose, oft auch seltene Schmetterlinge. Mehr als einen Hirschkäfer habe ich von Roggenhalmen abgenommen, nur die Mistkäfer hat mir der ältere Scharmann-Bub verachtungsvoll bespuckt. Und seltene Pflanzen bekam ich vom kundigen Onkel gewiesen; das Studentenröschen war meine große Liebe und der Sonnentau hatte Seltenheitswert. Am Wegrand gab es nicht nur Heidel- und Erdbeeren, sondern auch Türkenbundlilien, deren hier keiner besonders achtete. Und Beeren aller Art gab es in den Bauernbüschen und auf den vielen Waldwiesen. Die Erdbeeren wurden oft mit dem Heu niedergesenst oder umgesichelt. Da gab es viel zu schnabulieren. - Und erst die Dorfwallfahrt nach Krautenwalde! Selige Erinnerung: ich durfte das Kreuz ein stück tragen!

Mag sein, daß mein Sommerfrischlerstandpunkt in seiner Verklärtheit nach Fünfzig Jahren zu viel Glanz sieht, doch es wird den vertriebenen Neuwilmsdorfern in ihren heutigen guten Aussiedlerverhältnissen kaum anders gehen. Auch sie werden innig an die trauliche Schönheit der alten Heimatlandschaft denken, aber ihre Enkel werden schon nicht mehr die rauhe Dörflermundart verstehen, die so köstliches altdeutsches Sprachgut geboten hat.

Onkel Otto und Tante Marie ruhen fern der Heimat auf dem Friedhof von Grimolzhausen im Donaumoos bei Augsburg von ihrem gottgefälligen und den Menschen dienenden Erdendasein aus. Ihre "guten Werke", ob nun an mir, dem schlimmen Pfarrersneffen Robi, an der einstigen Gläubigengemeinde Neuwilmsdorf, an den späteren Pfarrorten oder aber in besonderem Maße für die Missionen in aller Welt verrichtet, sie leben still ebenso weiter im Habenbuch der Menschheit wie die fromme Stiftung des kinderlosen Wundarztehepaares Freund aus Jauernig, jenes Freund, der vor mehr als zweihundert Jahren in diesem Gebirgsdorf Kirchenbau und Pfarrhof begründet und den nach Ihm benannten Stiftswald geschenkt hat.

25 Jahre lang hat es in der jetzt abgebrannten Kirche kaum einen Gottesdienst gegeben, die Matriken wurden an eine Zentralstelle gebracht. Und doch ist es hier im Gebirgswalde einst Licht geworden im wörtlichen und übertragenen Sinne. Dieses Licht wurde als Flamme weitergegeben und selbst im Brand der einst so schmucken Dorfkirche kann uns bewußt bleiben, daß dieses Leuchten der Kultur und Zivilisation von hier aus auch in die Ferne gedrungen ist, wo immer noch Menschen in Liebe und Treue das bescheidene Wort "Neuwilmsdorf" erinnernd in den Mund nehmen. Wir müssen nur an das Ewige Licht glauben, wie es mein Onkel, der Pfarrer Otto Hampel, bei all seinen menschlichen Tugenden und Schwächen getan hat.


Bericht aus dem Jauerniger-Heimatbrief von Leonhard Hauke, Aug. 1991

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                  Zum Gedenken an die gefallenen und vermissten!

Erster Weltkrieg von 1914 bis 1918


Neu-Wilmsdorf:

Johann Beck, Karl Brosig, Josef Franke, Emil Friemel, Stefan Hauke,

Alfred Klein, Stefan Klein, Alfred Langer, Gotthard Langer, Alfred Lux, Leonhard Lux,

Martin Menzel, Franz Rischer, Alfred Ruprecht, August Scharmann, Josef Scharmann, Franz Weidlich, Heinrich Weidlich, Alfred Winkler, Alfred Winter.

 
Teilgemeinde Grenzdorf:

Adolf Nitsche, Franz Nitsche, Alfred Scholz, Josef Scholz, Wilhelm Schreiber, Franz Veit.


Teilgemeinde Rothengrund:

Ferdinand Böse, Josef Böse, Gregor Utner.


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Zweiter Weltkrieg von 1939 bis 1945


Neu-Wilmsdorf (Nové Vilémovice):

Rudolf Brückner, Josef Franke, Alfred Friemel, Josef Glatter, Herbert Hauke,

Max Hilse, Alois Klamert, Rudolf Menzel, Lothar Michler, Richard Rischer,

Josef Scharmann, Rudolf Scharmann, Ferdinand Scharmann, Florian Stocker, Johann Weiß.

 
Teilgemeinde Grenzdorf (Hraničky):

Eduard Gottwald, Franz Kirsten, Franz Thanheiser, Alfred Veit, Franz Veit, Alfred Zöh.

 
Teilgemeinde Rothengrund (Červený Důl):

Emil Liebe, Josef Neumann, Franz Nachtigall.

 
Vermißte:

Alois Band, Richard Bude, Josef Friemel, Alois Hanning, Walter Klein, Max Korzer, Wilhelm Melan, Stefan Menzel, Max Rischer, Wilhelm Schreiber, Rudolf Weiser.

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